28.02.2020

Chance

Kundennähe statt Standard

 

Change in der Baumarkt-Formatdenke

Lokale Nähe - mehr Click & Collect-Abholpunkte - Filetierung in Kompetenzformate - lokal bedarfsangepasste Formate


ALLES WO UND WANN ICH WILL! 

 

Sortimentstiefe und -breite, besondere Leistungen und der Preis waren früher für den Endverbraucher meist die entscheidenden Auswahlfaktoren zur Wahl eines Händlers. Das Erfolgsmodell der großen Baumärkte war es, die Kompetenz vieler Fachgeschäfte unter einem Dach zu vereinigen. Selbstbedienung, daraus resultierend günstigere Preise und One-Stop-Shopping. Der REAL-Slogan „einmal hin – alles drin“ brachte die angebotene Sortimentsvielfalt auf den Punkt. 

 

Das Internet hat die Handelswelt auf den Kopf gestellt und AMAZON hat das Einkaufen mit der Mission, das kundenorientierteste Unternehmen mit dem größten Sortiment der Welt zu sein, radikal verändert. Die Produktsuche startet heute zumeist bei AMAZON. Kein Geschäft ist dabei räumlich näher am Kunden als das Smartphone. Nie war es einfacher zu shoppen – ich bekomme fast alles, wo und wann ich will. Damit hat AMAZON das entscheidende Auswahlkriterium NÄHE für sich vereinnahmt. Aber genau im Thema NÄHE liegt auch die große Chance für den Baumarkt.

 

Amazon auch schon bald in Deutschland mit stationären Abholung-Geschäften?

Vielleicht auch demnächst mit Baumaterialien?

Kooperation mit einem der europäischen Konzerne?

 

SINGLE - MULTI - OMNI

 

Der stationäre Handel transformiert vom traditionellen Einzelhandel zu einem Omni-Channel-Geschäftsmodell. Der Sportartikelhändler DÉCATHLON ist ein gutes Beispiel für die gelungene Umsetzung. Gerade aber für große und schwere Bau-Artikel, wie Sackwaren oder Steine, gilt: Online bestellen ist einfach, aber die Versandlogistik ist komplex – die Bordsteinkante ist zumeist nicht gut genug. Zudem ist der Versand zum Kunden nach Hause nicht günstig. Die Ware verteuert sich zum Teil um ein Mehrfaches des Warenwerts. Der Kunde zieht die eigene Fahrt in den Baumarkt seines Vertrauens vor. Online bestellte und ohne Aufpreis vorkonfektionierte Waren können einfach mit dem Hänger abgeholt werden. Click & Collect stellt also eine wesentliche Erleichterung im Einkaufsprozess des Kunden dar.

 

Es ist aber zu kurz gedacht, wenn man die lokale Nähe zu Kunden nur mit der Erweiterung der bestehenden stationären Punkte durch einen Webshop definiert. Und selbst wenn der Offline- und der Onlinehandel mit einem guten Click & Collect-System ideal verknüpft sind, ist das nicht nah genug am Kunden. Click & Collect funktioniert vor allem dann, wenn man es als Kunde zum Abholen nicht weit hat. 

  

DÉCATHLON Connect in Stuttgart und München

Intelligentes Stadt-Konzept

 

ZAGHAFTER CHANGE

 

Die Expansion mit weiteren stationären Punkten erscheint also sinnig, denn zumeist ist der nächstgelegene Baumarkt der Stammbaumarkt eines Kunden. Das Standard-Großformat bietet jedoch nicht die Lösung. Das haben die Baumarktkonzerne erkannt und probieren sich in Kleinformaten. Mal mehr, mal weniger erfolgreich. Das Ziel: möglichst viele Kontaktpunkte für ein funktionierendes Click & Collect-Geschäft. Häufig wird jedoch eher an die Vervielfachung des einen entwickelten neuen Formats gedacht, als den Blick auf den Kunden und den Bedarf in der lokalen Umgebung zu richten. Im kleinen Markt soll das gleiche Sortiment, die gleiche Kompetenz wie in einem großen Markt gezeigt werden. Das kann nur bedingt funktionieren, weil der (lokale) Kunde hier nur bedingt berücksichtigt wird. Das Ergebnis strahlt zudem nicht die gleiche Kompetenz aus wie ein großes Haus; die Beratungsqualität der wenigen Verkäufer in diesem kleinen Markt eingeschlossen. Es kann nicht jeder Verkäufer in jedem Hausprojekt gleich fit sein. 

Und dennoch glauben viele Händler an die Kraft des stationären Handels und an die Glaubwürdigkeit einer guten persönlichen Beratung. Ich teile diese Sichtweise zu 100% und bin der Meinung, dass die meisten Händler die Lösung zur Expansion und die Antwort auf AMAZON bereits im Haus haben.

 

TOOM Baumarkt :

Stadtbunt in Frankfurt

Stadtgrün in Köln

Fachkompetenz extrahiert.

 

STATIONÄRE STÄRKEN NUTZEN

 

BAUHAUS, HORNBACH, HAGEBAU, GLOBUS, OBI und TOOM stehen für die große Bau- und Gartenmarkt-Kompetenz. Jeder dieser Händler hat Kompetenz-Schwerpunkte sowie gut ausgearbeitete Shop-in-Shop-Systeme. Warum sollte also ein BAUHAUS oder ein HORNBACH nicht ihre Kompetenzabteilungen, wie die BÄDERWELT oder das HAUS DES BADES, eine Boden-Welt, ein Türen-Studio oder eine Beschattungsboutique in ein eigenes Fachzentrum extrahieren? Natürlich mit angedocktem Abhol-Center der bestellten Ware aus den über 100.000 Artikeln des Webshops. Und warum sollte BAUHAUS nicht seine NAUTIC Boots-Zubehör-Abteilung in die Nähe aller relevanten Meer-, See- und Fluss-Kontakte positionieren? 

Die Rück-Filetierung eines großen Marktes in Fachzentren oder Kompetenz-Studios erscheint insofern sinnvoll als dass man damit ein dichtes Netz von vielen Kontaktpunkten in einer Stadt generieren kann. Der Händler ist quasi omnipräsent und unterstreicht zudem seine Einzelkompetenzen. Mit einem großen Lieferzentrum vor der Stadt oder aber mit der Nutzung des nächstgelegenen Großformats als Stützpunktlager für die kleineren Formate. 

 

Kompetenz-Zentren HAUS DES BADES und KÜCHEN-CENTER im HORNBACH

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BAUHAUS NAUTIK Fachzentrum für Wassersportler 

 

CHANCE: KUNDENNÄHE

 

Der wichtigste Erfolgsfaktor liegt aber darin sich die Umgebung des neuen Ladengeschäftes genau anzuschauen. Was brauchen die lokalen Kunden von meinem Sortiment oder von meinen Services hier? Ist es ein spezielles Kompetenz-Format oder vielleicht nur das reduzierte Baumarktsortiment des täglichen Bedarfs für die Mietwohnung? Jedes Geschäft wird wohl am besten unterschiedlich sein – eben am Kunden vor Ort und nach seinem Bedarf ausgerichtet. Customer Centricity pur. Die Chance liegt also auch nicht in der Multiplizierung eines weiteren kleinen Standardformats. Es führt der Kundenbedarf vor Ort.

 

HORST in Hamburg Bahrenfeld

Mit Sicht auf den lokalen Bedarf.

 

KLEINER, FEINER, SICHTBARER, NÄHER

 

Viele Handelskonzerne werden in diesen kleineren Fach-Formaten zunächst die Gefahr des ganzheitlichen Kompetenzverlusts sehen. Denn es widerspricht der Grundidee des stationären One-Stop-Shoppings aus dem letzten Jahrhundert (treffend mit der OBI Kampagne „Bei Eisen-Karl oder bei Obi“ vermarktet) und dem alten Gesetz „Masse verkauft Masse“. Die Transformation ist schmerzhaft und erfordert viel Veränderung, aber die neue Ära bietet vor allem Chancen.

 

Zudem: 

Je mehr stationäre Kompetenz-Punkte, desto besser werden die Fachhandelskompetenzen unterstrichen und desto besser kann sich das Omni-Channel-Konzept entfalten. Und je mehr dichtere und dauerhafte Flächenpräsenz, desto mehr wird die Unternehmensmarke mit Ihren Kompetenzen penetriert.

 

Leroy Merlin Urban

besucht in Paris und Madrid.

Viel Ausstellung,

Viel Webshop-Anbindung.

Viel Kompetenz.

Viel Frequenz.

Tolles Stadtkonzept.

Faszinierende Kundenführung.

Ein Hauch von IKEA.

Hoher Frauenanteil.

Baumarkt anders.

 

 

ZUSAMMEN GEFASST

 

Zukünftig entscheidet die KUNDEN-NÄHE über die Wahl der Baumarkt-Einkaufsstätte.

 

1.    Customer Centricity:

·     Lokale Nähe der Baumärkte durch mehr stationäre Kontaktpunkte und Click & Collect-Abholpunkte mit in wenigen Stunden abholbereiter Ware.

·     Filetierung in Kompetenzformate und an die lokalen Kundenwünsche angepasste Formate statt Multiplikation von Standards. Jeweilige Adaption des Sortiments an den Bedarf der nah zu versorgenden Kunden (Bsp. AMAZON FRESH) zu einem fairen Preis

·    jeweils mit Pickup-Abholstation.

 

2.    Marken-Nähe:

Viele Abholpunkte schaffen Sichtbarkeit, Omnipräsenz und Markennähe. Ein Baumarktbetreiber ist dann 10-mal in Hamburg statt bisher nur einmal. 

Fachgeschäfte schaffen Vertrauen, unterstreichen Kompetenzen und geben der Marke Substanz. 

 

 



Vielen Dank an das DIY Fachmagazin für die Abbildung des Original Artikels.

DIY Heft März 2020

  

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