19.02.2020
Für viele Baumarkt-Kunden geht es beim Einkaufen primär um Schnelligkeit, Bequemlichkeit, und den guten (fairen) Preis. Natürlich geht es beim Oberbelag-Einkauf – wie Parkett oder Fliese – durchaus auch mal um ein familiäres Erlebnis, aber in den meisten Fällen braucht man das Material schnell, um zeitnah das kleine oder große Projekt daheim umzusetzen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass für die meisten Kunden der nächstgelegenste Baumarkt zumeist der Stammbaumarkt eines Kunden ist. Und: Solange der Händler um die Ecke das Produkt hat, solange der Gesamtbon eine längere Fahrt nicht rechtfertigt, solange kann dieser Baumarkt auch ruhig ein wenig teurer sein. Es braucht also gute Gründe einen Kunden zu überzeugen, dass sie/er an anderen Händlern zum Einkauf vorbeifährt.
Obwohl es in unserer baumarktdichten Republik immer noch sogenannte „Geisel-Märkte“ gibt, die keinen Vorteil außer dem der räumlichen Nähe bieten, arbeiten die Baumärkte natürlich daran möglichen Kunden Argumente zum Besuch Ihres Marktes zu geben und diese auch dauerhaft zu überzeugen. Für den Markenartikler und den Baumarkt-Zulieferer bieten sich hierbei enorme Chancen, wenn dieser einmal die Sichtweisen des Handels einnimmt und Konzepte aus der Endkundenbrille entwickelt.
Die räumliche Nähe ist das entscheidende Kriterium für die Auswahl der Einkaufsstätte
DIFFERENT IM SORTIMENT
Bei dem aktuellen Überangebot benötigt jeder Händler echte Differenzierungsleistungen im Sortiment. Die Grundidee des One-Stopp-Shoppings der stationären Großfläche beinhaltet nicht nur Sortimentsbreite im mittleren Preissegment, sondern auch Tiefe mit Spezialitäten, Fachhandels-Qualitäten und Exklusivitäten. Kernkompetenzen sind gut, aber es ist zudem sinnvoll in einem Segment einzigartig und damit auch relevanter als der Wettbewerb zu sein. Im Sortiment können das exklusive Marken(-Auftritte) aber auch Mehrwert-Eigenmarken-Systeme sein. Das muss für die Marke und den Zulieferer nicht zwanghaft bedeuten, dass dieser sich nun in eine Margenspirale begibt. Es gibt gute Beispiele aus dem LEH und der Sportartikelindustrie, die das Gegenteil belegen. Ferner ist auch nicht jeder Anbieter so kräftig wie VELUX. Es kann daher für eine dauerhafte Partnerschaft mit dem Händler sinnvoll sein, separate Kompetenzteile des eigenen Markensortiments jeweils exklusiv zu vergeben.
Bild links:
Der BAUHAUS NAUTIK Shop ist ein Paradebeispiel für die Kundenbindung einer konkreten Zielgruppe mit einem Spezial-Sortiment.
Bild rechts:
Geführt und positioniert wie eine gute Marke: Die HORNBACH Eigenmarke AKKIT
DIFFERENT IN DER VERFÜGBARKEIT
Nichts ist für den Projektkunden schlimmer, als ein Stockout im Handel. Es ist schon ärgerlich, wenn nur noch 3 Tischbeine im Regal stehen und das Projekt nicht fertig gestellt werden kann. Die 15-Tausender von Hornbach und Bauhaus haben daher eine große Projekt-Mengen-Bevorratung in Ihren Häusern.
Es wird in wachsendem Maße zu Angeboten an die kompetenten Lehrlinge und Gesellen, am Wochenende „nebenbei zu arbeiten“ kommen. Vielleicht sogar mit Wissen des Meisters. Die Nachfrage ist einfach zu hoch und die Möglichkeit zum schnellen Euro und der Aufbesserung des eher spärlichen Salärs wird einfach zu attraktiv werden. Diese Klientel ist jedoch im Fachhandel bekannt. Die Gefahr von Neid und Mitwissern über die Nebeneinkünfte ist groß. Der Baumarkt dagegen bietet den anonymen Einkauf und die Möglichkeit des gemeinsamen Einkaufs mit dem Kunden, der dann auch gleich alles direkt bezahlen kann.
Eigentlich eine perfekte Ausgangslage, denn der Baumarkt war schon immer auch an den Umsätzen des Fachhandels interessiert. Die Präsenz von Handwerkern im Markt werten obendrein das eigene Image auf. Wenn nun die Lehrlinge und Gesellen vermehrt zur Zielgruppe gehören sollen, dann muss sich der Baumarkt in der Leistung anpassen. Die längeren Öffnungszeiten sind jetzt schon ein klares Argument für die Zielgruppe zum Besuch der Baumärkte. Man kann eben auch nach der Arbeit um 18/19 Uhr noch Ware einkaufen oder bestellte Ware abholen.
Ware für viele Projekte in der gut gefüllten BAUHAUS DRIVE-IN-ARENA
DIFFERENT IM SERVICE UND IN DER LEISTUNG
HORNBACH bietet mit seiner Gartenwerkstatt einen Service, den man aktuell nur im Fachhandel erwartet. dm Drogeriemarkt hat gerade in Zusammenarbeit mit dem Markenartikler PERSIL einen Wäscheservice gegründet und testet diesen für 17 Drogeriemärkte. Die Preise sind höchst attraktiv sind und ein DM fast bei jedem schnell zu erreichen. Zudem holt man sich mit dieser Leistung die breite Zielgruppe der Hemdenträger ins Geschäft. Man kann davon ausgehen, dass dieser Service ausgerollt wird und DM damit wieder ein Stück weit relevanter als sein Wettbewerb sein wird.
Die Kooperation von Ingenieurs- und Handelskompetenz birgt auch für den Baumarkt enorme Potentiale. Es gibt bereits sehr gute Beispiele fruchtbarer Zusammenarbeit. Dennoch bieten sich für Zulieferer weitere Chancen bei der gemeinschaftlichen Konzeptentwicklung differenter und exklusiver Leistungsangebote mit echten Kundennutzen.
Ob Wäscheservice bei DM, Garten-Werkstatt von HORNBACH oder der neue BadPlaner von OBI. Alles sehr intelligente und kundenzentrierte Leistungen.
DIFFERENT IN DER STATIONÄREN AUSSTELLUNG
Gerade bei beim Einkauf von Fußbodenoberbeläge, Tapeten oder Bad-Keramik – also mit allen Produkten, die den Raum später wertiger, schöner und wohnlicher machen ist es nicht nur der Mann mit den schmutzigen Händen, der entscheidet, sondern natürlich auch die Frau. Der Erlebniseinkauf mit entsprechender Ausstellung am POS ist also wichtig – speziell mit den Sortimenten und Artikeln, die den Raum verschönern.
Darüber hinaus gibt es Bereiche in denen Endkunden eine klare Hilfestellung und Führung am POS benötigen. Entweder, um das für den eigenen Anspruch richtige Produkt zu wählen oder aber auch um zu filtern, welche Produkte man konkret für das heimige Projekt benötigt.
Die Definition des Kundeneinkaufsprozesses ist hierbei die Basis der Kommunikation und der entsprechenden Botschaften am POS. Ziel des Zulieferers bei der Gestaltung der Sortimentspräsentation am POS (wie auch im Netz) muss es sein, den Einkauf des Kunden einfach, schnell und bequem zu gestalten.
Der OBI GartenPlaner im Markt.
DIFFERENT IN DER BERATUNGSKOMPETENZ
Kompetente Mitarbeiter überzeugen Kunden, schaffen Vertrauen und generieren treue Bestandskunden. Jeder Baumarkt will daher kompetente Mitarbeiter. Jeder Baumarkt glaubt an die Nachhaltigkeit von Weiterbildung. Und jeder Baumarkt weiß, dass die Investition in die Weiterbildung eines Mitarbeiters diesen auch zufriedener macht. Nicht zuletzt macht es den Mitarbeiter am Abend auch glücklich, wenn er/sie seine/ihre Kunden gut beraten konnte.
Jetzt aber die dauerhafte Schwierigkeit: Ausbildung kostet Zeit. Die Zeit, in der der Mitarbeiter auf der Fläche fehlt. Und das ist ein Problem in der Personaleinsatzplanung der Marktleiter sowie auch in der Denke, dass es zu Umsatzausfällen während der Abwesenheit kommt. Das Resultat sind dann oft schlecht besuchte Schulungen der Baumarkt-Markenartikler.
Und wie soll man als Zulieferer nun agieren? Der Mitarbeiter in einem Baumarkt ist neben dem Web der wichtigste Medienkanal und damit ein gewichtiger Teil in der gesamten Substanzkommunikation. Daher muss die Schulung als Teil einer ganzheitlichen Content-Strategie gesehen werden. Bedeutet: Zunächst medienneutralen Content erstellen und dann zusammen mit dem Baumarkt einen Plan erstellen, wann dieser Content in welchem Kanal und in welcher Form ausgespielt wird. Vermitteltes Content-Wissen wird dann Rahmen der Bewerbung von frequenz-generierenden Maßnahmen rund um den (Projekt-)Content auf der Fläche direkt zum Einsatz kommen.
HORNBACH hatte jahrelang viele der Ausbildungen in ein integriertes Projekt-System eingebettet.
In beworbenen Vorführungen wurde das zuvor geschulte Wissen von den Kunden abgefragt und nachhaltig gefestigt.
Die Erfahrung hat gezeigt: Ein gut geschulter Mitarbeiter ist motivierter.
Nicht zuletzt repräsentiert der Mitarbeiter auch die Qualität der Unternehmung.
Bild-Quelle:
HORNBACH Youtube-Kanal
DIFFERENT IN DER KOMMUNIKATION - SICHTBARKEIT SCHAFFT RELEVANZ
Spricht man über Sichtbarkeit in der Kommunikation, dann wird zumeist HORNBACH als Paradebeispiel mit seinen (inter)nationalen und auch prämierten Markenkommunikations-Kampagnen aufgeführt. Emotional, auffallend, andersartig, überraschend - und sehr mutig! - und dennoch mit erkennbarem roten Faden.
Die lokale Sichtbarkeit ist jedoch mindestens genauso entscheidend. Die 3 wesentlichen Kriterien für die Auswahl des geeigneten Standorts eines stationären Händlers sind nach wie vor Lage, Lage, Lage. IKEA ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Der Fastfood-Anbieter MC_Donalds generiert seine Frequenz vor allen Dingen durch die ständige und fast perfekte Omnipräsenz an den Ausfahrten deutscher Autobahnen. Auch BAUHAUS schafft es, mit großen Werbepylonen und der häufig stark frequentierten Lage massive Sichtbarkeit zu erzeugen. Hannibal Lecter hat das in dem Film „Das Schweigen der Lämmer“ zwar in einem anderen Zusammenhang und dennoch hervorragend zusammengefasst: „Wie beginnen wir zu begehren, Clarice? Wir begehren, was wir täglich sehen!“
Und wie kann die Baumarkt-Marke den Händler nun in der Schaffung differenter Kommunikation unterstützen?
Alle Baumärkte investieren in Substanzkommunikation. Für den Kunden zählt das erfolgreich abgeschlossene Projekt. Die bessere Kompetenz rund um die richtige Verarbeitung von Materialien in einem Kundenprojekt haben zumeist die (Ingenieure der) Markenartikler. Die Chance besteht darin gemeinschaftlich und exklusiv mit einem Baumarktbetreiber Projekt-Content-Konzepte zu erarbeiten. Also eine enge Zusammenarbeit in der medienneutralen Phase genauso wie in der Kanalausleitung in Web, Print, Bewegtbild, in der POS-Präsentation oder auch der Mitarbeiterausbildung.
Projektkompetenz orientiert sich am Kundenbedarf und schafft Vertrauen: Die Meisterschmiede Videos von Hornbach werden gesehen.
Bild-Quelle:
HORNBACH Youtube-Kanal
DIFFERENT IN DER PHILOSOPHIE - HALTUNG VERBINDET
"Hier bin ich Mensch – hier kauf ich ein“ ist nicht nur ein Claim von dm, das ist ein Versprechen, eine Haltung, eine Philosophie, die eingelöst wird. Der Kunde hat gelernt: Die kümmern sich um die Qualität der Produkte, die kümmern sich um den guten Preis, da muss man nicht auf Lockvögel warten, da fühlen sich die Kunden, die Verkäufer und auch die Lieferanten wohl. Da kann ich als Mutter sogar mal kurz in der Stadt die Windeln wechseln. DM, das ist nicht der kurzfristige Quickie am Samstag. dm – das ist die Ehe, die mit wertschätzendem Umgang eine langfristige Partnerschaft zum Ziel hat. Denn Kunden kaufen gerne dort, wo sie wissen, dass sie nicht benutzt oder hintergangen werden. Das ist „Customer Centricity“ oder „CRM“ oder einfach nur der GMV – der gesunde Menschenverstand – vom feinsten. Ich bin überzeugt: Ein gutes Angebot gepaart mit werte-orientierter Haltung und fairen Preisen führt zu Treue in der Wahl des Einkaufsortes.
Ein Claim, der gefühlt auch in den Geschäften gelebt wird.
ZUSAMMENGEFASSTE CHANCEN
Vielen Dank an das DIY Fachmagazin für die Abbildung des Original Artikels.
DIY Heft Februar 2020
© Copyright - Marc Kreisel - 19.02.2020 - mk@marckreisel.de